Kann es sein, dass die Lust am Erkenntnisgewinn momentan nur eine Nebenrolle spielt?
Update 2016-04-26
Erkenntnisgewinn als Lebenselexier, frischer Wind. Etwas in dieser Richtung wünsche ich mir für die Wirtschaftswissenschaft.
Meinem Eindruck nach stecken die Wirtschaftswissenschaften noch ein ganzes Stück in der alten Zeit. Das geht einher mit klebrigem Loyalitätsdenken gegenüber der herrschenden Klasse und der Tradition und auch gegenüber dem eigenen Selbstbild. Das wird dann noch durch die Anreizsysteme konserviert oder gefördert. Ich will im Folgenden einige Anhaltspunkte sammeln, die daraufhinweisen, dass der Zweck Erkenntnisgewinn in den Wirtschaftswissenschaften, so er denn gewünscht wird, neue Aufmerksamkeit braucht.
Zum einen ist der Zustand der Methodologie für die Gesamtwirtschaftslehre nicht auf einem Stand, mit dem sich realitätsbezogen arbeiten lässt. Wenn ich mir den Studenten- und Forschungsalltag ansehe, dann sind viele Aspekte unprofessionell ausgestaltet (siehe Wie-arbeiten-Methodik und Diverse Aspekte) – zumindest wenn als Zweck Erkenntnisgewinn unterstellt wird.
Der folgenden Auffassung kenne ich aus zweiter Hand. Auf das Bemühen des Seminarteilnehmers seine Argumentation zu begründen, erklärt der Seminarleiter: „Vergessen Sie das Argumentieren. In der Wissenschaft spielen Argumente keine Rolle. Es kommt auf den wissenschaftlichen Diskurs an.“
Das Forschungsklima allgemein scheint mir nicht erkenntnisorientiert. Als Diskussionsgrundlage verlinke ich zwei Videos aus dem Bereich der Friedensforschung.
KenFM im Gespräch mit: Prof. Dr. Rainer Rothfuß (Uni Tübingen), 2015, youtube.
- 00:20:00 Auseinandersetzung mit bestimmten Thesen schade der Universität. Wissenschaft vernetzt mit Macht.
- 00:31:00 Beliebigkeit von Forschungsergebnissen.
- 00:33:00 Drittmittelgeber, die Forschungsergebnisse diktieren
- 00:43:19 Heiße Themen angehen kann man durchaus – es gibt ja auch ein Leben außerhalb der Uni.
- 01:18:15 Gefahr Indifferenz
Ganser, Daniele (2015): Medial vermittelte Feindbilder und die Anschläge vom 11. September 2001, Vortrag an der Universität Tübingen, youtube.
- Auf seine Erfahrungen in der Wissenschaft kommt er ab 1:15:20 zu sprechen.
Aus diesen Indizien ziehe ich den Schluss, dass Wissenschaft als Imagegeber oder zur Überredung gebraucht wird. These zur Folge der ergebnisorientieren „Forschung“: Die Folge wird sein, dass sich die Wissenschaft genauso aus der Gesellschaft fallen läßt, wie es die alten Medien gerade tun. Sie werden noch gebraucht für ein paar Menschen, die daran glauben wollen. Die selbstverantwortlichen Menschen beziehen ihr Wissen aus anderen Quellen.
Links
Kavala und die Verantwortung der Ökonomen (flassbeck-economics.de)
Wie sich Nachdenken über die Realität und eine Karriere als Wirtschaftswissenschaftler im Jahr 2015 ausschließen.
Lieb, Wolfgang: Funktionale Privatisierung staatlicher Aufgaben – am Beispiel öffentlicher Hochschulen, nachdenkseiten 21.09.2015.
Oekonomischer-Einheitsbrei (blog.arbeit-wirtschaft.at)
Ergebnisse einer Untersuchung von Strömungen in der Ökonomik, unterschieden nach Methodenverwendung und Eigensicht auf gesellschaftliche Gestaltungswirkung.
Der neu ifo-Präsident: Alle Vorurteile dieser Welt (flassbeck-economics.de
Hinweise, wie der Einheitsbrei gekocht wird.