Licht und Schatten von Märkten. Eine Sammlung.
Status: Tastend. Version 2015.05.14
Anlass
Mein Eindruck aus den öffentlichen Debatten um 2010 herum ist, dass alles was sich irgendwie den Anschein von Markt geben kann, begrüßt und unterstützt wird. Eine sorgfältige Beobachtung bereits gemachter Erfahrungen oder das Ringen um maßgeschneiderter Rahmenbedingungen sehe ich nicht.
Aus dem Studium ist mir beispielhaft die Diskussion um den Gebrauchtwagenmarkt in Erinnerung. Fragestellung: Wie kann ein Gebrauchtwagenmarkt funktionieren, wenn die Käufer die Qualität des Angebots oft nicht abschätzen können und die Verkäufer einen Anreiz haben, den angebotenen Autos bessere Eigenschaften anzudichten als sie haben. Antwort: Signalling. Die Anbieter guter Gebrauchtwagen werden sich darum bemühen, Wege zu finden, die glaubhaft machen, dass ihr Angebot die angegebenen Qualität auch hat. Folgerung: Der Markt funktioniert. Was nicht diskutiert wird: Die Anbieter schlechter Ware haben auch Möglichkeiten die Informationslage zu beeinflussen. Das ist aber nicht untersucht worden. Das kann sich ändern.
Ich habe ein paar Anknüpfungspunkte zusammengetragen, die sowohl positive als auch negative Markteigenschaften umfassen, und die als Anknüpfungspunkte dienen können, um sich ein Bild machen zu können, ob und wenn ja welche Marktform für eine bestimmte Aufgabe geeignet ist.
Organisationsformen
Was macht den Markt zum Markt?
vielleicht: Bilaterales Aushandeln der Tauschkonditionen
vielleicht: Auswechselbare Tauschpartner
Den Blick auf ein Spektrum von Wirkungsdimensionen weiten
Die Debatte habe ich so wahrgenommen, dass zunächst von einer wie auch immer definierten Effizienz von Märkten ausgegangen wird. Anschließend wird die Betrachtung nur auf Preis und Menge reduziert und – damit der Marktmechanismus zu Hochform auflaufen kann – es soll immer möglichst billig eingekauft werden.
Die Wirkung eines Kaufes am Markt beschränkt sich nicht auf den Zustand des Portemonais. Die vom Kauf induzierten vor- und nachgelagerten Produktions- und Verwendungsprozesse haben auch ihre Wirkungen:
- Welches Kapital fließt in den Produktionsprozess ein und wird verbraucht?
- Direkte Nutzenwirkung des Produktionsprozesses? (Arbeitsspaß, Arbeitsleid, Wissensgenerierung, …)
- Was wird mit dem Produkt gemacht? Welche Nutzen und Kapitalwirkungen ergeben sich daraus?
- Gibt es Anreize, die geistigen, körperlichen, sozialen, finanziellen Kräfte und sonstiges Kapital in eine bestimmte Richtung zu lenken? Welche Änderungen ergeben sich dadurch?
Positive Aspekte des Marktes
- Menschen handeln selbst
- Menschen können ihre Präferenzen einbringen
- Die Vertragsparteien haben/hätten den vollständigsten
- Zugang zu den benötigten Informationen
- Dadurch soll sich der gesamte Wirtschaftsprozess in die richtige Richtung lenken
- Geringere Informationskosten (Als was?)
- Verteilte Information (Hayek, genauer Vorteil?)
- Alternativen werden angeboten
- Siehe Vorteile von Konkurrenz
Negative Aspekte des Marktes
- Anreiz dazu Reproduktion nicht mit in die Preisverhandlung einzubeziehen: Jemand der die Reproduktion nicht einkalkuliert, kann günstiger anbieten. Das betrifft
sowohl die eigene Gesundheit aber auch die Frage, wer für Kinder aufkommt und auch die natürlichen Ressourcen. (Sachkapital hingegen wird meistens eingerechnet) - Anreiz auf Kosten Dritter zu tauschen. Gelingt es einem Anbieter einen Teil der Leistung von Dritten erbringen zu lassen, ohne diesen dafür zu bezahlen, kann er günstiger anbieten.
- Anreiz dazu langfristig anfallende Kosten nicht einzubeziehen. Wem es gelingt, seinen Vertragspartner von langfristigen Kosten abzulenken, kann den Anschein erwecken, günstiger anzubieten. (Siehe bspw. Murks)
- Es kann derjenige günstiger anbieten, der in der Ferne sesshafte Dritte ausbeuten kann, die außerhalb des Wahrnehmungsradius liegen.
- Verantwortungsdiffusion durch Glaube an die Markteffizienz.
- Möglichkeit zu verdeckter Machtausübung auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene: Es besteht der Anreiz für eine Reservearmee an Arbeitslosen zu sorgen und die Finanzierungsversorgung der Gesamtwirtschaft so zu drosseln, dass der Lohn sinkt und der Zins oben bleibt.
(Hinweis auf Realisation: Albrecht Müller: Michael Detjen trifft Albrecht Müller, 15:00 ff, http://www.youtube.com/watch?v=LOl0iN026fQ, gesehen am 20.12.2011, nicht mehr online. Hinweis auf einen englischen Banker und Thatcherberater Sir Allan Butt, der öffentlich gesagt hat, dass die Politik des Monetarismus die Schaffung einer Reservearmee beabsichtigt hat.)
Theoretischer Link: Wenn die Angebots- und Nachfragekurven stetig sind, dann dürfte ein solches Ansinnen schwer umzusetzen sein. Wenn die Preise jedoch Sprungstellen haben, kann mit einer kleiner Verschiebung ein großer Effekt erzielt werden. Siehe Ausblick des Textes Charakteristika der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion - Siehe Nachteile von Konkurrenz
Was wollen wir?
Aus der Sammlung ist zu erkennen, dass Märkte auch ein Wirtschaften mit Substanzverlust fördern können. Die Ansicht, dass Märkte per se zu wünschenswerten Ergebnissen führen, ist damit widerlegt. Allerdings stelle ich mir die Frage, inwieweit das dem Markt als Organisationsform anzulasten ist. Oder ist es nicht letztlich so, dass wir bekommen, was wir erfahren wollen, unabhängig von der wirtschaftlichen Organisationsform?
Literatur
Urs P. Gasche / Hanspeter Guggenbühl / Werner Vontobel (1997): Das Geschwätz von der freien Marktwirtschaft, Wie Unternehmen den Wettbewerb verfälschen, die Natur ausbeuten und die Steuerzahler zur Kasse bitten, 3. Auflage, Zürich.
Bodenstein, Gerhard / Leuer, Hans (Hrsg., 1977): Geplanter Verschleiß in der Marktwirtschaft, Zürich.
Aus dem Vorwort: „Die folgenden Beiträge greifen eine seit geraumer Zeit geführte Diskussion über den geplanten Verschleiß in der Marktwirtschaft auf.“
Kreiß, Christian (2014): Geplanter Verschleiß, Wien u.a.
Rundumschau mit zahlreichen Quellenangaben. Er benennt einen volkswirtschaftlichen Artikel als Referenz für die Auseinandersetzung der VWL mit dem Thema, der das Phänomen unter der Annahme der vollkommenen Information untersucht.
Links
Siehe auch Schlagwort Organisationsformen
Learning From Ladakh (1993)
(Vimeo Video on Filmsforaction.org)
Innerhalb von einem Jahrzehnt wird eine entlegene Gegend an die moderne Wirtschaft angeschlossen. Interessant finde ich die Hinweise zu der Lebensorganisation vorher und welche Probleme mit dem Auflösen entstehen und in der neuen Struktur nicht aufgefangen werden.